das Forum Alte Modellbahnen wurde am 28.05.2025 volljährig, nämlich 18 Jahre alt

Lionel Postwar - Die frühen Jahre 1945 -1950

#1 von martin67 , Gestern 16:44

Hallo zusammen,

ich bin ja nicht so sehr ein Freund von "einfach nur Bilder hinklatschen" (wie leider so oft im Forum zu sehen), denn jedes Modell hat so seine Geschichten, die man erzählen kann. Insbesondere, wenn es sich um die hierzulande weniger bekannten Eisenbahnmodelle handelt, worunter ich auch Lionel zähle. Ich möchte hier einen Thread zum Thema "frühe Postwar Jahre" eröffnen. Zum einen finde ich die Zusammenlegung von Post War und MPC im anderen Faden etwas unglücklich, zum anderen sind gerade die ersten Nachkriegsjahre hochinteressant, unterscheiden sie sich doch deutlich von dem, was wir aus Deutschland kennen.

Um diese Zeit etwas genauer zu beleuchten, ist auch ein Blick in die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg und die Kriegsjahre selbst hilfreich. Gegen Ende der 1930er Jahre neigte sich die Tinplate-Zeit bei Lionel langsam ihrem Ende entgegen. Die große 54mm Standard Gauge war am Verschwinden, und die Spur 0 entwickelte sich (für wenige Jahre) zur richtigen Modellbahn. Beim Vorbild standen die Signale ebenfalls auf Fortschritt, der Dieselmotor machte sich drauf und dran, Dampf als Antriebsquelle zu verdrängen. Mit den leistungsfähigen und zuverlässigen Motoren bekamen die Züge ein neues Aussehen und bunte Farben ersetzten das vorherrschende Schwarz, Braun und Grün der Züge. Lionel ging mit der Zeit und brachte ab Mitte der 30er Jahre bereits die aktuellen und seinerzeit sehr spektakulären Triebwagenzüge der Union Pacific und CB&Q (Burlington) als brauchbare Modellnachbildungen aus Gussmetall und Blech. Um die etwas ungelenken Triebwagen zu fahren, erschien auch zeitgleich ein das O72-Gleissystem mit großen Radien, was den Modellbahncharakter zusätzlich hervorhob. Mit dem Anwachsen der Anzahl von "richtigen" Modellbahnern kamen auch ganz exquisite Modelle von Dampfloks in die Läden. Hier sei der Hinweis gestattet, daß sich gerade im Nordosten der USA seinerzeit eine Szene bildete, die mit maßstäblichem Gleismaterial und seitlicher Stromschiene hervorragend detaillierte Anlagen baute. Die seitliche Stromschiene war im Raum New York verbreitet, Modellbauer nutzten dies geschickt, um die dritte Schiene an den Rand zu verlegen. Anfang der 40er Jahre liefen dann auch schon die ersten Kunststoffmodelle, damals noch aus Bakelit, vom Band. Insbesondere die 6-achsigen "Irvington"-Heavyweight Schnellzugwagen seien hier genannt. Güterwagen produzierte man oft in einer Mischbauweise aus Gussmetall, Blech, und Bakelit.

1942 war der Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg. In diesem Jahr erschien auch der letzte Lionel-Katalog, zu Weihnachen gab es die letzten Eisenbahnmodelle, danach wurde Lionel in die Kriegswirtschaft integriert und produzierte mit seiner Erfahrung in der Feinmechanik und Kunststofftechnik u.a. Navigationsgeräte für die Navy. Mitten im Krieg, Lionel vergaß seine Wurzeln nicht, gab es den "Paper-Train", ein komplettes Set mit Ausschneidebögen für einen Zug der Spur 0, inklusive Ausschneideschienen, Signalen und Häuschen. Er war als Schiebebahn gedacht, wenn er denn einmal zusammengebaut war (was viele Besitzer seinerzeit vor größere Probleme stellte). Im August 1945 endete mit dem Atombombenabwurf auf Nagasaki und der Kapitulation Japans der zweite Weltkrieg und Lionel wurde aus der Kriegswirtschaft entlassen.

Und genau hier fängt die Postwar Era an, wie sie in den USA genannt wird. Bereits zu Weihnachten 1945 gab es einen Flyer und es wurde ein Zugset angeboten. Die Modelle kamen aus Lagerbeständen der Vorkriegszeit. Allerdings hatte Lionel hierfür schon neue Drehgestelle und neue Klauenkupplungen parat, die diese Modelle deutlich von den Vorkriegsprodukten unterschieden. Über dieses erste Zugset gab es lange Zeit in den USA kontroverse Diskussionen. Eine Besonderheit hatte dieses Set aber noch, nämlich einen neuen Güterwagen. Als Scale-Sized Gondola wurde der Wagen mit der Nummer 2452 angeboten. Er war aus Kunststoff gefertigt und alles andere als "Scale Sized", also maßstäblich. Die Entwicklung dieses Wagens musste schon in den Kriegsjahren unter der Hand begonnen haben, um die Produktion aus fertigen Formen vor Weihnachten anlaufen zu lassen. Diesen Wagen selbst habe ich nicht, aber ein späteres Modell aus dem Jahr 1952. Da war das Modell schon seiner angesetzten Handräder beraubt und hatte Kunststoffdrehgestelle aus der gerade obsolet gewordenen Scout-Serie und wurde nur noch in günstigen Anfangspackungen angeboten.



Im Modelljahr 1946 gab es dann auch die "Irvingon"-Wagen wieder. Die Bakelitkonstruktion blieb die selbe, nur die Drehgestelle waren nicht mehr aus Blech, sondern feiner detailliert aus Kunststoff. Das ist übrigens mein einziger Wagen mit elektrischen Kupplungen, die 1948 schon durch magnetisch bediente, mechanische Kupplungen ersetzt wurden. Mein Irvington ist nicht mehr der Schönste seiner Zunft, knapp 80 Jahre gehen einfach oft nicht spurlos an einem vorbei.



1948 gab es dann einen neuen Gondola, der länger und ausgewogener war, als der zuvor vorgestellte kurze Wagen. Dieser wanderte, wie schon gesagt, direkt in die Einsteigerlinie ab. Mein Wagen 6002 stammt aus dem Jahr 1949, und ist in dieser Form sehr selten. Aus irgendwelchen Gründen hat Lionel ihm Scout-Drehgestelle spendiert.



Ein neuer Boxcar kam 1946 ins Programm, der legendäre 6454. Er hatte ein Gehäuse aus Kunststoff, eine recht feine Detaillierung. Mit 9 1/2 Inch Länge war der Wagen relativ kurz und hatte schon zwei Jahre später gegen die aufkommende Konkurrenz von AMT zu kämpfen, die sehr massive Wagen in fast maßstäblicher Größe auf den Markt warf. Mein Modell der Pennsylvania stammt aus dem Jahr 1949. Eine Besonderheit hat der Wagen (wohl alle dieses Typs). Er besitzt zwei unterschiedliche Türen, eine "linke" und eine "rechte". Wenn man genau hinsieht, kann man die unterschiedliche Form sehen. Diese Türen sind aus Metallguss und stammen von einem "Double-Door" Automobile-Boxcar aus der Vorkriegszeit. Deshalb "links" und "rechts", nicht in Fahrtrichtung gesehen. Wie gesagt, meiner hat zwei unterschiedliche Türen, Varianten mit je zwei linken oder zwei rechten Türen sind nicht ausgeschlossen.





Ein wunderschöner Two-Bay Hopper (Schüttgutselbstentladewagen mit zwei Auslässen) ist der 6456 aus dem Jahr 1948. Den gab es später auch noch als Funktionsmodell für eine Laderampe zum ferngesteuerten entladen von Miniaturkohle.



Der zweidomige Kesselwagen 6465 ersetzte 1946 einen zugegeben sehr schönen Vorkriegswagen. Dieses Modell dürfte den Drehgestellen nach im Jahr 1952 produziert worden sein. Das Modell selbst wurde über die Jahre entfeinert, verlor die angesetzten Handläufe aus Metall und wanderte mit dem Erscheinen größerer Modelle in das Startprogramm ab.



Gut, am Ende eines jeden amerikanischen Güterzugs hing damals ein Caboose. Das "Southern Pacific-Style" Modell ersetzte 1948 ein aus der Vorkriegszeit stammendes Blechmodell und wurde über die Jahre in unzähligen Varianten gefertigt. Der hier ist aus 1949 und hat schon keine Fenstereinsätze mehr (war augenscheinlich in einer Startpackung enthalten).



Noch ein Hinweis zu den Nummern von Lionel. Die erlauben grundsätzlich eine grobe zeitlich Einordnung dieser alten Wagenmodelle. Beginnen sie mit "2", hat das Modell elektrische Coil-Kupplungen. Beginnen sie mit "6", sind magnetisch zu öffnende Kupplungen verbaut (ab ca, 1948).

Lokomotiven aus dieser Zeit habe ich noch nicht, die darf aber der geneigte Mitforist gerne dazustellen.

Noch ein Nachwort. Man sieht anhand der doch recht vorbildlichen Farben und Ausführungen, daß diese frühen Modelle als Modellbahn im Konsens ihrer Zeit gedacht waren. Spätestens ab den 50er Jahren änderte sich die Modellbahnszene und auch das Vorbild gravierend. Beim Vorbild hielten moderne Diesellokomotiven Einzug, Lionel trug dies ab 1948 Rechnung und brachte die EMD F3A in den Farben der Santa Fe und New York Central heraus. Die Spur 0 verlor langsam als Modellbahn an Bedeutung und musste große Marktanteile and die kleinere Baugröße H0 abgeben. Als immer noch gern gekaufte Spielbahn wurde das Lionel-Programm bunter, die Modelle oft vereinfacht. Waren die 50er Jahre noch recht sorglos, spitzte sich die Situation in den 60ern zu und endete mit dem Konkurs im Jahr 1969. Die O-Gauge hat sich dann in den 70er Jahren komplett neu erfunden und erfreut sich seither großer Beliebtheit als eigenständige Sparte in der amerikanischen Modellbahnszene.

Schönen Gruß,

Martin


Lima Modeltrain Collectors - Die neue Lima-Enzyklopädie zum Mitmachen für den Sammler
Martin´s Railfun Seite - Geschichten und Bilder rund um die kleine und große Bahn (und vieles mehr)
Die Lima Sammlerseite


Folgende Mitglieder finden das Top: Knolle und knockando
 
martin67
Beiträge: 7.464
Registriert am: 17.06.2007

zuletzt bearbeitet Gestern | Top

   

LIONEL: Neuzugänge, von postwar bis heute

  • Ähnliche Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
Xobor Ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz